Um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten


18. April 2024

Gleich dreimal versuchten die Behörden in der belgischen Hauptstadt, ein hochkarätiges Treffen von europäischen Nationalkonservativen aufzulösen. Etwas Besseres hätte den Veranstaltern nicht passieren können.

Die Szene vor dem «Claridge» dürfte Belgien und seine Hauptstadt noch länger beschäftigen. Seit 2019 ist die sogenannte «NatCon», die Konferenz der «National-Konservativen», ein eher unauffälliges Treffen europäischer und amerikanischer Politiker, Publizisten und Akademiker aus dem konservativen bis stramm rechten Spektrum an wechselnden Orten. Noch nie kam es vor, dass lokale Behörden versuchten, den Anlass aufzulösen. Erst recht schickte bisher noch niemand den Teilnehmern die Polizei auf den Hals.

Dass es in Brüssel so weit gekommen ist, hat mit dem breiten Widerstand zu tun, der den Veranstaltern hier entgegenschlug. Sie hatten für den 16. und 17. April einen prunkvollen Ballsaal im Zentrum der Stadt gemietet. Doch nachdem die belgische Menschenrechtsliga und Antifa-Gruppen dagegen protestiert und schliesslich auch Philippe Close, der sozialistische Bürgermeister der Hauptstadt, interveniert hatte, wurde der Vertrag gekündigt.

Die «NatCon» wich auf ein Luxushotel im Stadtteil Etterbeek aus. Auch hier übte der örtliche Bürgermeister Druck auf die Inhaber aus, die Konferenz abzusagen. So landeten die National-Konservativen am Ende in dem etwas weniger schicken Quartier Saint-Josse-ten-Noode, in direkter Nachbarschaft zu einem Swinger-Klub und türkischen Kebab-Buden. Aber zufrieden war man doch, die Veranstaltung, bei der namhafte Gäste erwartet wurden, endlich abhalten zu können.

Neben Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán und Polens früherem Regierungschef Mateusz Morawiecki standen etwa die ehemalige britische Innenministerin Suella Braverman, der Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage oder der deutsche Werteunion-Chef Hans-Georg Maassen

Der Innhaber des Hauses, einen Tunesier habe dem Druck, die «NatCon» ein drittes Mal zu canceln, nicht nachgegeben. . Aber am Dienstagvormittag erschienen vor dem Gebäude bereits drei Polizisten mit einer Anordnung. Ungefähr eine Stunde später rückte die Polizei mit Verstärkung an, verzichtete aber darauf, den Saal zu räumen, und begnügte sich damit, den Eingang zu versperren.

Auf Geheiss des örtlichen Bürgermeisters Emir Kir, sagte die Polizei, solle die Konferenz beendet werden. Die Anweisung des Bürgermeisters, die Konferenz zu beenden und zu schließen gründete auf seiner persönlichen Einschätzung: die Veranstaltung drohe

aufgrund ihres offensichtlich provokativen und diskriminierenden Charakters die öffentliche Ordnung ernsthaft zu stören. NatCons Vision ist nicht nur ethisch konservativ (z. B. Ablehnung der Legalisierung von Abtreibung, gleichgeschlechtlichen Partnerschaften usw.), sondern auch auf die Verteidigung der „nationalen Souveränität“ ausgerichtet, was unter anderem eine „euroskeptische“ Haltung impliziert. Einige Redner gelten als Traditionalisten. Die Konferenz muss zur Vermeidung vorhersehbarer Angriffe auf die öffentliche Ordnung und den Frieden verboten werden.

Die Konferenz wurde von den Behörden um 12:00 abgebrochen, der Veranstaltungsort von der Polizei umstellt und der Zutritt jeglicher Personen verhindert.

Wir erleben einen Angriff auf die Meinungsfreiheit

Linksradikale Gruppen hatten Proteste für den Fall angekündigt, dass die «NatCon» stattfinden würde. Angeblich war das auch für Emir Kir der wichtigste Grund, die Konferenz zu canceln. Der türkischstämmige Bürgermeister schrieb auf X jedoch nicht nur, dass er sich um die öffentliche Sicherheit sorge, sondern auch, dass die «extreme Rechte» in seiner Gegend niemals willkommen sei. Für Kir, der selber Kontakte zu türkischen Ultranationalisten pflegt, sollte das wohl nicht gelten.

Belgiens Premierminister Alexander De Croo nannte den Vorfall am Dienstagabend inakzeptabel und rechtswidrig. Die Verfassung des Landes, rügte er, garantiere seit 1830 die Freiheit der Rede und der friedlichen Versammlung. Auch aus dem Ausland kam Kritik. «Was in Brüssel passiert, lässt uns ungläubig und bestürzt zurück», sagte die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni. Die Berichte seien «extrem verstörend», hiess es aus London. Und aus Ungarn meldete sich Viktor Orbán auf X zu Wort. «

„Ich schätze, sie konnten die Redefreiheit nicht länger ertragen. Das letzte Mal, dass sie mich mit der Polizei zum Schweigen bringen wollten, war, als die Kommunisten sie ’88 auf mich hetzten. Wir haben damals nicht aufgegeben und wir werden auch dieses Mal nicht aufgeben!“

Die heftigen Reaktionen sollten Wirkung zeigen. Mit Unterstützung durch ADF International klagten die Organisatoren gegen das Verbot.

Im Urteil entschied das Gericht: „Artikel 26 der [belgischen] Verfassung gewährt jedem das Recht, sich friedlich zu versammeln“. Obwohl der Bürgermeister grundsätzlich befugt ist, im Falle einer „schwerwiegenden Störung des öffentlichen Friedens oder anderer unvorhergesehener Ereignisse“ polizeiliche Anordnungen zu treffen, war das Vorgehen in diesem Fall ungerechtfertigt.

Am Mittwoch hob der Staatsrat die Polizeiverordnung auf, und der zweite Konferenztag begann ohne Zwischenfälle, dafür aber mit deutlich erhöhter medialer Aufmerksamkeit. Den National-Konservativen, die sich in ihrem Misstrauen gegen die linken und liberalen Eliten bestätigt sehen durften, hätte wohl nichts Besseres passieren können.

Quellen: Berliner Zeitung, Neue Zürcher Zeitung, ADF International

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